Während der Patient ein Recht darauf haben sollte, zu wissen, ob er mit einem Placebo (Scheinmedikament) behandelt wird oder nicht, sollte aufgrund von wissenschaftlichen Studien die ethische Frage nach der Vergabe breiter diskutiert werden. Beim Placebo-Effekt geht es darum, dass ein Medikament – meist in Tablettenform – verabreicht wird, obwohl keinerlei Wirkstoffe im selbigen vorhanden sind, aber dennoch ein therapeutischer Erfolg dokumentierbar ist.
Insbesondere beim Schmerzempfinden können deutliche Verbesserungen eintreten, wie unter anderem die Hamburger Forscher bzw. Mediziner des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in ihrer Studie “Einfluss von Kontextfaktoren auf die Verarbeitung von Placeboeffekten” nachwiesen und mittels Kernspintomographie-Bilder sogar sichtbar machten. Eine US-amerikanische Studie, die in 2021 veröffentlicht wurde, konnte hinsichtlich gastrointestinaler Symptome bei Kindern ähnlich gute Erfahrungen mit dem Placebo-Effekt machen.
US-Studie bestätigt Placebo-Effekt bei Kindern mit Bauchschmerzen
Zwischen den Jahren 2015 und 2018 führte man um den Studienleiter Dr. Samuel Nurko (auch Professor für Pädiatrie an der Harvard Medical School) vom Boston Children’s Hospital eine randomisierte multizentrische klinische Studie bei 30 Kindern und Jugendlichen im Alter von 8 bis 18 Jahren mit gastrointestinalen Störungen wie funktionelle Bauchschmerzen, funktionelle Dyspepsie oder das Reizdarmsyndrom durch. Ziel des Forscherteams war es dabei, herauszufinden, ob die Gabe von sog. “Open-Label-Placebos” (OLP) zu einer Verbesserung der Symptomatik führt und ggf. die Lebensqualität positiv beeinflussen könne.
Im Vorfeld wurde den Probanden das Konzept von OLP nach einer standardisierten Methode erklärt, sodass ihnen klar war, dass die Medikamente keinen Wirkstoff beinhalten. In der Phase 1 erfolgte dann zunächst eine Dokumentation über die Ausprägung der Schmerzen. Im Anschluss begann man in Phase 2 mit einer dreiwöchigen Einnahmephase eines Placebos in Form von zwei Mal täglich 1,5 ml Sirup (Placebo Suspension) , während die Kontrollgruppe keine Behandlung erhielt. Im Anschluss der 3 Wochen tauschte man in Phase 3 die Gruppen. In allen Phasen – mit und ohne Behandlung – wurde durchgängig Tagebuch über die Stärke der Schmerzen geführt.
Nach Beendigung der Studie zeigte sich, dass die Einnahme von OLP in Form von flüssigen Placebo-Tropfen zu einer signifikanten Verbesserung des mittleren täglichen Schmerzwertes im Vergleich zur jeweiligen Kontrollgruppe ohne Behandlung führte. Zudem beobachtete man, dass die zur Verfügung gestellte Notfallmedikation Hyoscyamin (Tabletten-Form) in der Kontrollgruppe doppelt so oft eingenommen wurde. Das Ergebnis der Cross-over-Studie wurde unter anderem am 31.01.2022 in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift für Kinderheilkunde „JAMA Pediatrics” veröffentlicht.
Eine weitere vom Forscherteam durchgeführte Studie bestätigte die Beobachtungen nochmals mit erwachsenen Teilnehmern. In Zukunft möchte man die vielversprechenden Ergebnisse in die klinische Routineversorgung integrieren, um in der Folge echten Wirkstoff nach Möglichkeit einzusparen.
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